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REVIEW OF - "ONE SMALL STEP..."
 

Norbert von Fransecky - MUSIK A SICH

One small Step … ist eine deutlich zwei geteilte CD. Da sind die ersten vier in sich abgeschlossenen Tracks, denen das in acht Songs unterteilte Titelstück gegenüber steht. Hätte die CD über die ganze Distanz so geklungen wie in den ersten vier Stücken, wäre mal wieder eine fette „20“ fällig gewesen.

Manning überführt den gediegenen, anspruchsvollen Pop-Rock der 70er in die Gegenwart. Ich sage bewusst nicht „Prog-Rock“, denn die üblichen Verdächtigen, die in diesem Fall immer wieder genannt werden (Genesis, Yes, ELP, …), sind auf One small Step … so gut wie gar nicht zu finden. Lediglich Pink Floyd grüßen bei “Black and Blue“ einmal gitarrentechnisch durch den Zaun. Manning gehören in eine Traditionslinie, die mit Namen wie Barclay James Harvest, Christopher Cross, Chris de Burgh (zu seinen guten Zeiten!), den Moody Blues und Jethro Tull beschrieben werden kann. Warme harmonische Rockmusik, die durch ihren Songcharakter einen leichten Pop-Appeal hat und mit viel Phantasie auf höchstes musikalisches Niveau gehoben wird.

Für die dazu nötigen Verzierung greift man nicht in frickelige Genres wie Jazz oder Psychedelic zurück, sondern bedient sich lieber in folkigen Gefilden – auf die Gefahr hin, dass das dem einen oder anderen Kritiker dann zu gefällig und nett ist – ein Urteil unter dem Barclay James Harvest, Supertramp und Chris de Burgh in der Vergangenheit schon massiv zu leiden hatten. (Letzterer bei seinen späteren Alben durchaus zu Recht)

Ich hatte mich schon resigniert damit abgefunden, dass derartige Musik mit dem Anbrechen (oder zumindest der Mitte) der 80er Jahre unmöglich geworden ist. Und jetzt kommt Guy Manning und jagt mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Das beginnt mit “In Swingtime“, einem fokligen Art-Rocker mit Saxophonsolo – irgendwo zwischen Barclay James Harvest und Christopher Cross. Die “Night Voices“ erinnern am ehesten an Chris de Burgh (zu Crusader- und Eastern Wind-Zeiten), haben aber auch Nähen zu den Moody Blues oder einem ruhigen Jethro Tull mit spanischer Gitarre. “The Mexico Line“ lässt dann Van Morrison Stimmung aufkommen und ist mit Slideguitar, Fiedel, sowie Saxophon- und Orgel-Soli reichlich ausgestattet.

Nach dieser grandiosen knappen halben Stunde beginnt Manning mit dem langen Konzeptstück “One small Step …“, das sich sehr kritisch mit der Vorstellung des menschlichen Fortschritts beschäftigt und über die Tracks 5 bis 12 erstreckt.
Der Titel bezieht sich auf den Ausspruch One small Step for me, but a great Step for Mankind, den Armstrong getan haben soll, als er als erster Mensch die Oberfläche des Mondes betreten hatte. Wo hat uns dieser „Fortschritt“ hingeführt? Was hat er uns gebracht? Und sind nicht vielleicht ganz andere Fortschritte nötig? Das sind die Fragen von “One small Step …“ - und die führen uns natürlich ganz passend zur Musik in die Technologie-Kritik, die in den späten 70er und den 80er Jahren ihre erste ganz große Blüte hatte.

Das Konzeptstück ist im Vergleich mit den ersten Tracks wesentlich rauer und ungeschliffener gestaltet. Gesang und akustische Gitarren dominieren. Die aufwendige Produktion, die die erste CD-Hälfte in die Nähe des Prog-Rocks versetzt hatte, ist hier auf ein Minimum reduziert. Die akustischen Gitarren klingen sehr oft nach Ken Hensley (und zwar häufiger nach seinen ersten beiden Solo-Alben und weniger nach den rockigeren Uriah Heep-Songs). Der Gesang erinnert an Jethro Tulls Ian Anderson. In diesem sehr akustischen Umfeld wirkt er aber eher wie eine Art Bob Dylan.
Vielleicht ist das ein passende Formel: Ken Hensley, Ian Anderson und Bob Dylan machen zusammen akustischen Prog-Folk.

Insgesamt ist Manning genauso voller Phantasie und Farbe, wie es das Cover bereits hoffen lässt. Der Platte ist alle nur mögliche Beachtung zu wünschen.



Norbert von Fransecky